Wer heute zu Fuß beziehungsweise mit dem Fahrrad oder Auto auf unseren Straßen unterwegs ist, kann sich kaum vorstellen, wie es vor 100 Jahren ohne Ampeln, Fahrbahnmarkierungen oder Beschilderung war. Heute scheint der Verkehr fast überreguliert zu sein, doch 1907 war zum Beispiel das Risiko, bei Unfällen im Straßenverkehr zu sterben, in Relation zum Kfz-Bestand 62-mal so hoch wie heute. Die seitdem ergriffenen Maßnahmen erreichten also mittel- und langfristig eindeutig ihr Ziel.
So fing es an
Ein paar Zahlen sollen diese Bemühungen verdeutlichen: So erließ der deutsche Kaiser Wilhelm II. 1909 ein erstes Kraftfahrgesetz für das Deutsche Reich, das innerorts ein Tempolimit von ganzen 15 km/h vorschrieb. Fast zeitgleich, nämlich 1910, wurde in den USA ein Eignungstest für angehende Straßenbahnfahrer etabliert. Als erste reguläre Verkehrsampel der Welt gilt die am 05. August 1914 aufgestellte Lichtsignalanlage in Cleveland. Wie sehr die Kfz-Mobilität noch in den Anfängen steckte, sieht man spätestens daran, dass erst 1921 rudimentäre Fahrbahnmarkierungen zur Entschärfung eines Unfallschwerpunktes in einer englischen Kleinstadt getestet wurden. Und erst Anfang der 1920er Jahre wurden die ersten dreifarbigen Ampeln in New York City, Detroit, Paris und Hamburg installiert. Es dauerte sogar bis 1934, bis in Deutschland die räumliche Trennung zwischen Fußgängern und Fahrzeugen vollzogen war. Dies war aber auch nötig, da die neue Reichsstraßenverkehrsordnung alle Tempolimits aufhob und Motorfahrzeuge bis 200 cm³ von jedermann ab 16 Jahren führerscheinfrei gefahren werden durften.
Verkehrsregeln international
1949 war ein bedeutendes Jahr für die Vereinheitlichung der Straßenverkehrsregeln, denn in Genf fand die Konferenz der Vereinten Nationen über Straßen- und Automobilverkehr statt. Sie endete mit einem Abkommen über den Straßenverkehr und Straßenverkehrszeichen und enthielt die Idee des inzwischen nicht mehr wegzudenkenden Zebrastreifens. Aber erst 1953 wurden Straßenmarkierungen verbindlich und ab 1960 erhielten Autobahnen Mittelleitplanken. Zahlreiche Studien in verschiedenen europäischen Ländern und der USA sorgten darüber hinaus dafür, dass im Laufe der letzten Jahrzehnte weitere Vorschriften den Straßenverkehr sicherer machten: 1970 wurden Warnblinkanlagen Pflicht, 1973 wurde die 0,8-Promille-Grenze eingeführt, seit 1976 gilt die Anschnallpflicht auf Vordersitzen.
Ein uneingeschränkter Erfolg
Was uns heute also als selbstverständlich erscheint, ist tatsächlich ein langsamer Prozess im Laufe der vergangenen 100 Jahre gewesen. 2.724 deutsche Verkehrstote im Jahr 2020 gegenüber 8.000 Verkehrstoten im Jahr 1938 bei ungleich mehr Fahrzeugen sprechen eine deutliche Sprache.